Eigener Naturgarten

74076 Heilbronn (2002 - 2016)

Wegen Umzug leider aufgeben

Die Umgestaltung beginnt (2002)

Als uns die Schwiegereltern 2002 gesundheitsbedingt die Gestaltung und Nutzung ihres Gartens überließen, hatten sie nicht mit einer derartig radikalen Neugestaltung gerechnet. Heute erinnern nur noch wenige gärtnerische Relikte an die „guten alten Zeiten“.

 

Angeregt durch die vielen Informationsquellen des Naturgarten e.V. und der Zeitschrift Kraut&Rüben haben wir 500 m² Gartenfläche in Hang- und Südlage ohne professionelle Gartengestalter oder Architekten nach und nach vom Staudeneinerlei zur bunten Wildblumenvielfalt umgestaltet. Schritt für Schritt konnte der Traum von einem Refugium für einheimische Pflanzen und Tiere in die Tat umgesetzt werden. Experimentierfreude, Fantasie, Intuition und Muskelkraft haben ein Mosaik aus vielfältigen Lebensräumen entstehen lassen. Jedes Jahr werden weitere, neue Projekte verwirklicht, auch wenn es keinen freien Quadratmeter mehr zu geben scheint.

 

Nur mit „einfachen“ Gartengeräten ausgerüstet stürzten wir uns auf die Aufgabe. Bis auf einen Kletterbaum für den Nachwuchs (inzwischen Totholz-Habitatbaum) wurden alle ausländischen Gehölze gefällt. Schwiegeromis Zierstauden wurden ausgegraben und an die Nachbarn verschenkt, die Buddleia-Forsythia-Viburnum-Hecke fiel der Säge zum Opfer. Endlich war genügend Licht und Platz für einen kompletten Neuanfang. Symbolisch pflanzte jedes Familienmitglied einen neuen, persönlichen Obstbaum.

Kräuterspirale für Küchenfans

(Neubau 2002, Neubepflanzung 2007)

 

Das erste Bauwerk war eine 3,20 m große Kräuterspirale. Trockenmauern aus regionalem, gelbem Sandstein begrenzen drei unterschiedliche Standorte: Einen mageren und trockenen Bereich im inneren „Schnirkel“, er bietet Platz für mediterrane Kräuter wie Rosmarin, Currykraut, Oreganum, Salbei und Thymian. In einem nährstoffarmen, mittleren Bereich wachsen Estragon, Pimpinelle, Bohnenkraut und Majoran. Ganz unten gibt es einen nährstoffreichen Standort für Schnitt(knob)lauch, Waldmeister, Bärlauch, Petersilie, Winterheckenzwiebel, Monarda, Agastache und anderen, essbaren Blütenpflanzen. Die selbst gemischten Erden bestehen aus unterschiedlichen Anteilen Gartenerde, Sand und Grünkompost. Am Ende der Spirale befindet sich ein Miniteich für Wildpflanzen, die „nasse Füße“ lieben: Blutweiderich, Sumpfdotterblume und Bachnelkenwurz. Längst haben auch andere Kräuter wie Ruccola, Barbarakraut, Knoblauchsrauke und Pfefferminze die Spirale ohne unser Zutun erobert. Da die Pfefferminze Ausläufer bildet und innerhalb von zwei Jahren alle anderen Kräuter verdrängte und durch die Ritzen durchgewachsen ist, haben wir 2009 diesen Bereich sorgfältig gejätet und neu bepflanzt.

Ein Haus für Wildbienen

(Neubau 2002, Erweiterung 2008)

Wildbienen brauchen neben Pollen- und Nektarpflanzen auch Nist- und Überwinterungsmöglichkeiten. Deshalb wurde gemeinsam mit den Kindern ein großes, trockenes Wildbienenhaus (h 2,0m x b 3,50m x t 0,60m) mit Baumstämmen, Schilfrohrmatten, gebündelten Pflanzenstängeln und Totholz gebaut. Unzählige Wildbienenarten einschließlich vieler Kuckucksbienen nutzen inzwischen die Hohlräume begeistert für ihre Brut. Jede Wildbienenart nützt nur ein ca. 6 -11-wöchiges Zeitfenster im Jahr, daher sind von März bis Oktober durchgehend immer andere Arten, vom 2 mm-Winzling bis hin zum 3 cm-Brummer, aktiv.

 

Auch die herrlichen, tiefviolett schillernden Blauen Holzbienen (Xylocopa violacae) erscheinen jedes Jahr zahlreicher und nagen mit ihren kräftigen Mandibeln Brutröhren in das angemorschte Holz alter Baumstämme. Alle Wildbienen sind extrem friedlich. Sie stechen nur dann, wenn sie versehentlich eingeklemmt werden.

 

Die größten Wildbienenfans sind (außer mir natürlich) einige Schmarotzerbienen, Spinnen und viele Vögel. In den letzten Jahren scheinen Spechte, Meisen und Kleiber die Larven und Puppen in den verschlossenen Brutzellen für ein kostenloses Wildbienenrestaurant zu halten. Seit 2009 wird im Juli/August ein Vogelschutznetz eingesetzt, um die hungrigen Federknäuel auf Abstand zu halten.

Hummelnistkästen (seit 2003)

Drei Jahre lang haben sie uns warten lassen, doch jetzt besiedeln Hummeln regelmäßig die selbst gebauten Nistkästen. Auch mehrere Mäusegänge sind immer belegt. In Deutschland gibt es keine 30 Hummelarten mehr – in unserem Naturgarten finden sich jährlich mehrere Arten ein – als Besucher und als Dauergäste. Selbst bei niedrigen Temperaturen sind diese gemütlichen Brummer aktiv. Leider vernichten immer wieder Wachsmotten und Mäuse die Hummelnester, was durch bauliche Änderungen an den Hummelkästen zukünftig hoffentlich eingeschränkt werden kann.

Sumpfgraben mit Trockenmauern 

und Wildpflanzenbeet (2003)

Das gesamte Regenwasser des Daches wird nicht in die Kanalisation, sondern in einen Sumpfgraben geleitet. Da der Boden aus tonigem Lehm besteht, haben wir keine Folie als Abdichtung verwendet, sondern den Untergrund durch Kinder(fuß)arbeit verdichten lassen. Amnestie international wäre entsetzt, die Kinder waren begeistert! Blutweiderich, Echter Eibisch, Wasserdost, Sumpfhaarstrang, Wasserschwertlilie, Bachnelkenwurz, Trollblume, Echtes Mädesüß u.a. Wildpflanzen lieben diesen Standort - auch wenn er im Sommer einmal austrocknet.

 

Umgeben ist er von einem bunten Wildpflanzenbeet aus Glockenblumen, Wiesenwitwenblumen, Seifenkraut, Natternkopf, Färberkamille, Wilder Möhre, Flockenblumen u.a. Sandstein-Trockenmauern begrenzen dieses attraktive Biotop.

Wilde Töpfe statt Petunien, Geranien und anderen Exoten (seit 2004)

Jeder Naturgarten hat – völlig unabhängig von der Größe – einen ganz entscheidenden Nachteil: Er ist definitiv immer viel zu klein! Ein Terracotta-Großhandel in meiner Nähe lockt mich schon seit Jahren mit günstigen Preisen und die Armada der Tontöpfe wächst und wächst. Die ersten Töpfe wurden mit „Dachgartenerde extensiv“ befüllt, doch dieses Substrat hat sich trotz regelmäßiger Grünkompostgaben nicht bewährt. Kleine, hungrige, blühunwillige Pflanzen sahen selbst für Wildpflanzenverhältnisse ziemlich traurig aus. In einer großen Umtopfaktion wurden deshalb alle Pflanzen gerettet und in „Dachgartenerde intensiv“ gesetzt – was sie dankbar annahmen. Heute erobern Hauhechel, kriechendes Gipskraut, Gewöhnlicher Hornklee, Prachtnelke, Kartäusernelke, Glockenblumen, Wundklee und viele andere, wilde Schönheiten diese Minitrockenstandorte.

 

Zu meinen Lieblingen in den Balkonkästen gehören (nacht)duftende- Schönheiten wie Gemshorn, Sternbalsam, Abendduft-Leimkraut oder der Sommertagstraum von Syringa mit 12 verschiedenen, einjährigen, duftenden Arten. Auch der Wärmeliebende Saum von Rieger-Hofmann findet sich schon mal im Balkonkasten wieder.

 

Leider stehen die Terracotta-Töpfe auf Kriegsfuß mit Temperaturen unter 0° C. Trotz Frostschutz aus dicken Laubschichten, Noppenfolie und Jutesäcken gibt es leider jedes Jahr mehrere Sensibelchen, die unserem Klima nicht gewachsen sind. Aber auch kaputte Töpfe haben -mit einer Wildblumenbepflanzung- ihren eigenen Reiz: In einer Scherbenecke (dem Terracotta Reha-Zentrum) dürfen sie sich gegenseitig bedauern und ihre diversen Wehwehchen beklagen: abgeplatzte Ränder, herausgeschlagene Kerben, verlorene Henkel – hier hat jeder seine Macke und ist trotzdem im Kreise der Frostveteranen willkommen. Den Pflanzen ist es schließlich egal, wo sie wachsen dürfen.

Trockenstandorte (2004)

Als „Pollenrestaurant“ direkt neben dem Wildbienenhaus wurde ein von Trockenmauern begrenzter, 12m² „großer“ und mit 0/32 er Kiessand gefüllter Trockenstandort gebaut. Nach einer Startdüngung mit etwas Grünkompost wachsen die Wildpflanzen hier für viele Jahre - bei minimaler Pflege und ohne Gießwasser! Schwarzer Geißklee, Strauchkronwicke, Königskerzen, Steinquendel, Sonnenröschen, Zypressenwolfsmilch, Nickendes Leimkraut, Ästige Graslilie, Skabiosen, Kriechendes Schleierkraut u.v.a. Arten gedeihen hier prächtig. Die absterbenden Triebe boten 2008/9 sogar einem überwinternden Igel Unterschlupf.

 

Auch ein Dach des Carports (9cm Substratstärke) und der ehemals monotone Kiesstreifen (60cm Beetbreite) an der nördlichen! Hauswand wurden naturnah begrünt. Überlebenskünstler wie Wegwarte, Nelken, Fingerkraut, Königskerzen, Ziest, Echtes Seifenkraut, Hauhechel u.v.a. wachsen hier auf ärmstem Untergrund und trotzen sommerlichen Dürreperioden.

 

Der wunderschöne Kiesstreifen an der Nordseite des Hauses mit Wegwarte, Moschusmalve, Seifenkraut, Quirlblütigem Salbei und vielen anderen wurde leider vom Vermieter 2012 entfernt. Die Hofzufahrt wurde neu gepflastert und die Wildnis sollte zugunsten eines „sauberen“! Kalkschotterstreifens weichen.

Einheimische Wildgehölze (2005)

Viele Wildgehölze und seltene Obstarten wurden im Garten gepflanzt: Bayernfeige, Himbeeren, Kornelkirsche und Schwarzer Maulbeerbaum wachsen neben Blasenstrauch, Seidelbast, Strauch-Kronwicke und einheimischen Wildrosen.

Zäune (2005)

Die beiden Maschendrahtzäune an Nachbars Grenzen wurden an mehreren Stellen mit Astgabeln angehoben und geöffnet. Durch die Ankurbelung des zoologischen Durchgangsverkehrs soll unser Naturgarten auch für größere Tiere noch wirkungsvoller mit seinem Umfeld vernetzt werden. Heute verschwindet einer der Zäune hinter einer Wildstrauchhecke, der andere hinter dem Käferbeet.

Sandbeet für Bienen und Wespen (2005)

An einer sonnigen Stelle wurde ein von dicken Holzstämmen umrahmtes Sandbeet (1,5m x 1,5m x 0,6m) angelegt und mit ungewaschenem 0/2er Sand aufgefüllt. 75% aller Wildbienenarten nisten im Boden und bevorzugen dabei einen mageren, lückig bewachsenen Untergrund. Auch Grab- und Wegwespen siedeln sich hier gerne an. Sogar Spatzen baden begeistert in diesem neuen Beet. Und…der Nachbarskater bedankt sich für dieses Luxus-WC!

Totholz- und Käferbeet (2005)

Besonders faszinierend ist das nach englischem Vorbild errichtete und inzwischen 15m² große Käferbeet: Dicke Totholzstämme (Eiche, Buche, Ahorn, Esche, Hainbuche und Obstbäume) unterschiedlichen Alters wurden auf einem brach liegenden, halbschattigen Streifen an der Grundstücksgrenze verteilt - für manche Nachbarn (und die Schwiegereltern) ein äußerst gewöhnungsbedürftiger Anblick. Einige Stämme wurden eingegraben, andere auf dem Boden liegend oder aufrecht stehend verteilt. Art und Dicke des Holzes, unterschiedliche Feuchtigkeitsgehalte und eine unterschiedlich intensive Besonnung locken jeweils völlig unterschiedliche Nutznießer an. „Tot“-Holz strotzt vor Leben, eine Unmenge an Organismen ist direkt oder indirekt von diesem Substrat abhängig. In Mitteleuropa sind es allein 1300 Käferarten. Aber auch Schwebfliegen, Mücken, Wespen, Wildbienen, Ameisen, Pilze, Asseln, Springschwänze und noch viele andere Tiere begeistern sich für diesen Lebensraum! Am Liebsten würde ich alle Totholzstämme der Welt in unseren Garten holen. Alte, im Herbst mit frischem Heu ausgepolsterte Holz-Vogelkästen wurden im Käferbeet für Mäuse aufgestellt. Auch Hummelköniginnen überwintern manchmal dort.

 

Für die natürliche „Bekleidung“ der Totholzstämme sorgt ein Gewand aus Farnen (Waldfrauenfarn, Wurmfarne, Eichenfarn etc.) und anspruchslosen, schattenverträglichen Wildpflanzen wie Große Sternmiere, Waldveilchen, Aufrechte Waldrebe, Waldlabkraut, Fingerhut u.a. Ein kleines Stück „Wald“ ist so mitten in einem Stadtgarten entstanden.

 

Bereits im ersten Jahr zeigten sich mit dem Holz "importierte" und neu zugewanderte Bewohner: Balkenschröter (die kleineren Verwandten des Hirschkäfers), ein Rothaarbock, ein Hirschkäferweibchen, Gichtwespen und Riesenschlupfwespen. Die Blaue Holzbiene, eine unserer größten Wildbienen Deutschlands und bisher „nur“ im Wildbienenhaus nistend, knurpselt sich voller Begeisterung in den angerotteten Stamm eines alten Apfelbaumes. Dieses scheue, bei jedem Sonnenstrahl tiefviolett irisierende und schimmernde Tier ist mein ganz persönliches, wunderschönes Juwel.

Sitzecke mit Natursteinpflaster

und Miniteich (2008)

Jüngstes Projekt und größte (und teuerste) Herausforderung war die Anlage einer 12m² großen Sitzecke mit Natursteinpflaster und angrenzendem, 4m² kleinem Miniteich - beides in ursprünglicher Hanglage. Beim Pflastern entstand spontan ein originelles Fantasiemuster aus europäischen Natursteinen (Caledonia- Gneis, Otelo-Granit, Porphyr, Austria Hartgneis, Carrara Mosaik, Alta-Quarzit). Der Miniteich mit einheimischen Wasserpflanzen wurde schon nach zwei Wochen von Klein- und Großlibellen, Wasserläufern und Rückenschwimmern entdeckt.

 

Eine Wildsträucher- und Wildrosenhecke, Naschobst, Vogeltränken, Vogelnistkästen und offene Zäune für querfeldein laufende Igel runden diesen Garten ab. Inzwischen gibt es keinen Quadratzentimeter mehr, der nicht besiedelt ist. Ab April kann kein Stein mehr gewendet, keine Hacke mehr geschwungen und kein Totholzstamm mehr bewegt werden, ohne dabei tierische Gartenbewohner zu stören. Womit das Jäten zur Gewissensfrage wird.

Eichen-Holzhäckselbeet (2011)

Der Kompost wurde aufgelöst, Gemüsereste aus der Küche wandern direkt auf die Beete (Flächenkompostierung). Die 3m² große Ex-Kompostfläche wurde in ein 60cm tiefes Holzhäckselbeet umgewandelt. Zwei Monate und zahllose Telefonate waren nötig, bis ein Forstwirt mir reine Eichenholzhäcksel anbieten konnte. Dieses Holz ist besonders wertvoll für verschiedene Käferarten. Jetzt heißt es abwarten, ob die Häcksel wie im Londoner Kew Gardens vom Hirschkäfer, d.h. seinen Larven, besiedelt werden.

Jeder Gartenbereich hat seinen besonderen Charakter

Jedes Naturgartenjahr hat seinen eigenen Zauber

Tiere in meinem Naturgarten

Auch diese Fotos sind urheberrechtlich geschützt, bitte senden Sie mir bei Interesse eine Email.